Sebastian Keller belegte bei der Deutschen Meisterschaft VG5F1 beim MCC Hof e.V. den zweiten Platz hinter Urgestein Ernst Utz. Wir sprechen mit ihm über das letzte Wochenende, sein Fahrzeug und den Entwicklungen bei H.A.R.M. .
mikanews:
Erstmal Glückwunsch von uns für deine erfolgreiche Teilnahme an der diesjährigen Deutschen Meisterschaft VG5F1. Mit dem Vizetitel blieb ja nicht mehr Luft nach oben.
Sebastian:
Ja das ist wahr, nach dem knappen Verpassen des Finaleinzugs bei der diesjährigen Europameisterschaft ist es das zweite super Ergebnis in diesem Jahr. Nichtsdestotrotz möchte man als Rennfahrer immer ganz oben stehen und dies wird mein Ziel für das nächste Jahr sein.
mikanews:
Wie hast du dich auf die Deutsche Meisterschaft vorbereitet? Was hast du noch erprobt? Worauf hast du dich konzentriert?
Sebastian:
Für die Deutsche Meisterschaft konnte ich mich dieses Jahr nicht speziell vorbereiten. Allerdings fand vor erst 2 Wochen die Europameisterschaft statt, von deren Vorbereitung ich profitieren konnte. Ein besonderes Augenmerk in der Vorbereitungszeit habe ich auf die Verbesserung der Kraftübertragung und der Kurvenausgangstraktion gelegt.
mikanews:
Beschreib kurz die Deutsche Meisterschaft aus deiner Sicht! Wie verliefen die Vorläufe und das Finale für dich! Wo gab es Probleme oder besonders große Fortschritte?
Sebastian:
Die Deutsche Meisterschaft begann für mich am Freitagmittag, nachdem mein Chef mich kurzfristig doch schon am Freitag freigestellt hat (an dieser Stelle noch einmal Danke dafür). Zu diesem Zeitpunkt waren die Streckenbedingungen sehr schwierig, der Asphalt sehr glatt, leicht staubig und mit wenig Gummi versehen. Dazu kam, dass ich auf der diesjährigen DM-Strecke des MCC Hof noch nie gefahren bin. Also hieß es am Freitag erst einmal Runden sammeln und die Bahn kennenlernen.
Am Samstag ging es in den letzten Trainingssessions darum die richtige Reifenkombination herrauszufahren und die Feinheiten des Fahrwerks anzupassen. Zur Mittagspause hatte ich dann ein gutes Gefühl, ich stand nach dem Training auf Platz 1 mit 0,16 Sekunden Vorsprung auf den Lokalmatadoren Thomas Benker. Der erste Vorlauf verlief dann bis zur 9. Minuten perfekt, das Auto ging wie auf Schienen und ich lag auf Platz 2 in der schnellsten Gruppe. Leider verlor ich in besagter 9. Minute einen Teil meines Antriebs und ich schied aus. Also zurück zum Schrauberplaz alles schnell wieder zusammenbauen und die Reifen vorheizen für den nächsten Anlauf. Dieser zweite Vorlauf glückte mir dann und ich konnte damit den 3. Gesamtrang einfahren. Von da an waren die weiteren Vorläufe für mich nur Tests für die Finalabstimmung.
Am Sonntag ging es dann 11 Uhr ins Halbfinale, von Platz 2 aus hieß es mindestens unter die ersten 5 zu kommen, um einen Finalplatz zu ergattern. Nach dem Start ließ ich Thomas ziehen und konzentrierte mich darauf meinen Lauf sauber und kontrolliert zu Ende zu fahren, nach wenigen weiteren Runden schoss dann Ernst “Ernschdi” Utz von hinten heran und ich ließ ihn ziehen. Platz 3 war mehr als ausreichend und ich wollte diesen kontrolliert nach Hause fahren. Nach ca. 9 Minuten dann eine Schrecksekunde, beim Herausbeschleunigen auf die Start- und Zielgerade gab es einen lauten Schlag und mein Auto fing stark an zu vibrieren, in diesem Moment hatte ich das Finale schon abgeschrieben, aber glücklicherweise beruhigte sich mein Auto wieder (wie sich später herausstellte hatte das Getriebe einen Stein aufgesammelt). Von diesem Moment an ging es nur noch darum mit so wenig Belastung wie möglich für das Auto das Halbfinale zu beenden, sanft beschleunigen, nicht bremsen und möglichst keine Curbs berühren. Nach 20 Minuten hieß es dann geschafft, das Halbfinale A als 3. beendet, zum ersten Mal den Defektteufel besiegt und nicht an aussichtsreicher Stelle im Halbfinale ausgeschieden. Nun konnte es als 5. ins Finale gehen.
Das Finale wollte ich dann ganz langsam angehen, 45 Minuten sind eine lange Zeit und es kann viel passieren. Vom Start weg lief es dann super, ich konnte auf dem Weg zur ersten Kurve Martin Mittelstädt überholen und lag auf Platz 4, in der nächsten Kurve setzte Martin seinen Konter, ich ließ ihn gewähren und hoffte das Beste für die nächsten Minuten. Leider verhakte sich in diesem Moment mein Auto mit dem von Flavio Budulig. So ging es für uns beide, aussichtsreich gestartet, als 8. und 9. weiter. Schnell konnte ich mich dann von Flavio absetzten, fand nach ca. 10 Runden in meinen Renn-Rythmus und konnte mit niedrigen 17er und hohen 16er Zeiten die Verfolgung der vor mir liegenden Fahrer aufnehmen. Schnell merke ich, dass da doch noch etwas ging, das Auto lag besser als während des gesamten Wochenendes und Stück für Stück holte ich mir eine Position nach der anderen bis ich ca. 10 Minuten vor Rennende auf Ernst auflief, leider zu diesem Zeitpunkt mit einer Runde Rückstand, aber den etwas schnelleren Runden. Es waren packende, spannende und für meine Boxenhelfer nervenaufreibende 8 Minuten, in denen ich versuchte, mich zurückzurunden und Ernschdi alles versuchte dies zu verhindern. Nach mehreren kleinen Berührungen ließ mich Ernst dann kurz vor Schluß vorbei und ich konnte noch ein wenig wegziehen, zu diesem Zeitpunkt war es aber schon zu spät, um die gesamte fehlende Runde wieder zufahren zu können.
mikanews:
Fehleranalyse ist wichtig! Die absoluten Bestzeiten waren zwischen den drei Podestbesuchern ja sehr ähnlich. Woran lag der Abstand zu Ernst Utz nach den 45 Minuten? Was könnt ihr 2017 besser machen?
Sebastian:
Wie oben schon beschrieben hat mich der Startunfall viel Zeit gekostet, diesem Rückstand bin ich das ganze Rennen hinterhergefahren, auch eine etwas bessere Konstanz meinerseits würde helfen. Alles in allem hat aber wohl hauptsächlich das Rennglück am Anfang gefehlt, insofern man so etwas bei einem 2. Platz bei der Deutschen Meisterschaft behaupten kann.
mikanews:
Seit einigen Monaten bist du wieder im H.A.R.M.-Team. Vorher hattest du ein kurzes Intermezzo bei Bergonzoni. Was bewegte dich zum Wechsel?
Sebastian:
Mich hat hauptsächlich die Aussicht mit HARM etwas Neues zu schaffen, einen neuen F1 zu bauen, bewogen zurückzukehren. Auch bin ich von den Qualitäten des aktuellen FX-2 überzeugt, es ist ein sehr gutmütiges Auto, welches mit nur minimalen Anpassungen auf nahezu allen Rennbahnen funktioniert.
mikanews:
Wo liegen jetzt deine Schwerpunkte im Team?
Sebastian:
Aktuell liegt mein Schwerpunkt darin auf Basis des FX-2 so viele Schwachstellen wie möglich zu beseitigen, damit diese Lösungen bzw. Equivalente dazu in das neue Modell einfließen können.
mikanews:
Woher kommt der Input zu Detailverbesserungen am aktuellen Modell? Wer setzt sie ein? Was erhofft ihr euch und wie lange gehen die Tests bereits?
Sebastian:
Der Input kam bisher hauptsächlich aus meiner Richtung, wobei man sich natürlich bei jedem Rennen auch ansieht, was die Konkurrenz macht. Wo liegen ihre Stärken, wo ihre Schwächen und was könnte man unter Umständen adaptieren? Aktuell fahre nur ich mit den Veränderungen am Fahrzeug (mit welchen ich Mitte 2015 begonnen hatte), wobei ich glücklicherweise durch zwei Vereinskollegen regelmäßige Vergleiche mit der Standardkonfiguration durchführen kann.
mikanews:
Auf welchen Strecken fanden ausgiebige Tests statt? Wo am meisten? Wo brachten die Änderungen den deutlichsten Unterschied?
Sebastian:
Die meisten Tests fanden bisher auf meiner Heimbahn beim MRC-Leipzig e.V. statt, da der FX-2 seine größten Schwachpunkte bisher auf schnellen Bahnen zeigte. Validiert wurden die Ergebnisse natülich auch auf anderen Strecken wie beim AMC-Mühlau oder der nächstjährigen Europameisterschaftsstrecke in Lostallo. Die Änderungen brachten den deutlichsten Unterschied in der Fahrstabilität bei extremen Griffverhältnissen und beim Beschleunigen aus engen Kurven.
mikanews:
Was hebt den aktuellen H.A.R.M. F1 von anderen Modellen ab? Wo liegen seine Vorteile?
Sebastian:
Der H.A.R.M. FX-2 folgt gemessen an seinen Konkurenten einer völlig anderen Philosophie. Wir setzten auf ein schmales Single-Frame-Chassis mit einer Breite von nur 12mm, auf einen weiter nach hinten verlagerten Schwerpunkt und sehr lange Querlenker. Aus diesen Faktoren ergibt sich, dass das Auto sehr gut tweakt und viel Last auf die Hinterräder bekommt, was den Griff besonders bei schwierigen Streckenverhältnissen entgegenkommt. Grundsätzlich gibt es einen Vorteil bei Regen, je rutschiger die Streckenbedingungen sind desto schneller ist der FX-2 im Vergleich zu seinen Konkurenten.
mikanews:
Was möchtet ihr beim Nachfolger besser machen?
Sebastian:
Doch so einiges, auch wenn das aktuelle Fahrzeug gute Gene hat will man ja immer das Beste. Der Antrieb wird für eine längere Standzeit überarbeitet und der Tank für eine geringere Balanceänderung in eine zentrale Position versetzt. Das Gewicht soll etwas gesenkt werden und die Aufhängungsgeometrie der Hinterachse meinem jetzigen Testräger angeglichen werden.
mikanews:
Vielen Dank für deine ausführlichen Antworten und viel Glück bei der nächsten Deutschen Meisterschaft!
Sebastian:
Danke, ich möchte diese Gelegenheit noch einmal nutzen, um sowohl meinen Helfern (Peter Sattler und Sven Müller) als auch Jörn Schmitt von H.A.R.M. Racing zu danken. Ohne ihre Hilfe und Unterstützung wäre dies nicht möglich gewesen.
weitere Links:
H.A.R.M Challenge und 1.SK-Lauf VG5 beim MRC Leipzig e.V. – Galerie Tourenwagen & Sprint Trophy
H.A.R.M Challenge und 1.SK-Lauf VG5 beim MRC Leipzig e.V. – 3F = Fahrer, Fahrerlager und Formel
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